Nahrung unter Kontrolle
42. Deutscher Lebensmittelchemikertag in Braunschweig
Von Alexander Budde
Deutschland verfügt wie kaum ein anderes Land über hohe
Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei Lebensmitteln. Obwohl
Produktionsketten und Handelsströme immer komplexer werden, sehen die
Experten mit Sorge, dass bei der Lebensmittelüberwachung gespart werden
soll.
Erfahrene Spürnasen könnten Arriba wohl sogleich von CCN 51
unterscheiden. Der Kakao-Klon reicht an das blumige Aroma der Edelsorte
Arriba bei Weitem nicht heran. Die qualitativ mindere Sorte wird
gleichwohl zunehmend kultiviert, denn sie bringt mehr Ertrag als das
edle Vorbild. Im Auftrag der deutschen Süßwarenindustrie ist eine
Forschergruppe um Professor Markus Fischer von der Uni Hamburg ins
Herkunftsland des Kakaos, Ecuador, gereist. Eine wissenschaftliche
Methode musste her, um die Untermischung des Konsumkakao in den
Edelkakao sicher nachweisen zu können. Denn die Ware wird per Schiff
nach Europa transportiert. Vermischungen können im globalisierten Handel
versehentlich geschehen, aber auch das Werk von kriminellen Fälschern
sein.
"Die wichtigste
Herausforderung ist ja die Probenentnahme. Und am besten ist es, man
fährt dahin, wo der Rohstoff hergestellt wird. Der nächste Schritt war,
dass wir die DNA isoliert haben. Sorten unterscheiden sich durch
Unterschiede in der DNA-Sequenz. Man kann das auch noch weiterführen,
indem man von der DNA-Ebene auf die Protein-Ebene hinuntergeht. Und die
Unterschiede sind sozusagen der Nachweis dieser betroffenen Sorten."
Die
Wissenschaftler entwickeln PCR-Reaktionen und andere sogenannte
Schnellmethoden, um die Echtheit des Kakaos nicht nur mit
Hightech-Geräten im Labor, sondern auch auf dem Betriebshof
durchzuführen.
"Wir sind natürlich
leidenschaftlich in dem, was wir tun. Man möchte natürlich schon den
Dingen hinterher jagen und dann letztendlich auch eine Methode
entwickeln, erfinden, um eben solche Nachweise führen zu können."
Alles
Bio, oder was? Etikettenschwindel etwa bei Eiern aus artgerechter
Freilandhaltung untergraben das Vertrauen in vergleichbar hochpreisige
ökologische Produkte - allen Bemühungen um verlässliche Zertifikate zum
Trotz. Mit raffinierten Analysemethoden können Lebensmittelchemiker zum
Beispiel nachweisen, ob die Legehennen mit chemisch gedüngten
Futtermitteln gefüttert wurden.
"Das
geht über sogenannte Isotope. Das sind besondere Elemente, die in der
Natur vorkommen, die einen Fingerabdruck im Grunde genommen erzeugen.
Und zwar je nach Standort eines pflanzlichen Lebensmittels. Insofern
kann man, wenn man diesen Fingerbarduck aufschlüsselt, was analytisch
relativ aufwendig ist, nachweisen aus welcher Region bzw. aus welchem
Standort sogar ein pflanzliches Produkt kommt. Das geht mit
Lebensmitteln aber auch mit Dünger-Bestandteilen, die verwendet worden
sind. Wenn dieser Dünger eingesetzt wird, dann würde das die
Möglichkeit, dieses Ei auch Bio- oder Öko-Ei zu nennen, eigentlich
versagt sein",
sagt Ulrich Nehring, Vorsitzender der
Lebensmittelchemischen Gesellschaft. In dieser größten Fachgruppe
innerhalb der Gesellschaft Deutscher Chemiker sind die meisten der rund
10.000 in der staatlichen Lebensmittelüberwachung sowie in der Industrie
beschäftigen Experten organisiert. Nehring betont, dass die
Wissenschaft stets um Sachlichkeit bemüht sei. Lebensmittelchemiker
analysieren nicht nur, um vor möglichen Risiken zu warnen.
"Wir
zeigen auf, welche Inhaltsstoffe von Lebensmitteln, die wir früher gar
nicht kannten, die man heute mit modernen Methoden nachweisen kann,
welche positiven Eigenschaften manche dieser Stoffe auch haben.
Beispiele sind phenolische Bestandteile in Pflanzen, die gerade hier in
Braunschweig sehr intensiv erforscht werden. Viele haben sicherlich von
der positiven Wirkung des Rotweins schon einmal gehört. Da hat man
beispielsweise nachgewiesen, dass das eine positive Wirkung auf die
Herz-Kranz-Gefäße hat. Also ein durchaus positiver Ernährungseffekt."
Lebensmittelchemiker
arbeiten interdisziplinär. Hohe Kosten für Ausbildung, Kontrollen und
Personal kollidierten zunehmend mit den Sparzwängen der Länder, mahnen
die Lebensmittelchemiker auf ihrer Tagung. Und warnen eindringlich vor
Einsparungen auf Kosten der Verbrauchersicherheit:
"Wir
haben die Sorge, dass unsere Ausbildung - die einerseits aus einem
wissenschaftlichen Teil, der an den Hochschulen im Wesentlichen
stattfindet und andererseits einem eher rechtlichen Teil, der in einer
Art Referendariat in Untersuchungsbehörden stattfindet - dass aus dieser
komplexen Ausbildung, die in ihrer Gesamtheit auch den eigentlichen
Wert unseres Berufsstandes ausmacht, gerade der rechtliche Teil
herausgekürzt wird, weil er sehr kostenintensiv ist. Da gibt es
Tendenzen, diesen Ausbildungsteil immer weiter zurückzuschneiden. Die
Risiken sehen wir tatsächlich darin, dass Lebensmittel nicht mehr in dem
Umfang untersucht und beurteilt werden können, wie wir das gewohnt
sind, und wie es uns auch über Jahrzehnte sehr gut geschützt hat."
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/umwelt/2255774/
?