Weil man ist, was man isst

Die Food & Health Academy startet Vortragsreihe zu den Themen Lebensmittel, Gesundheit und Ernährung

Übergewicht mit der Folge Diabetes und Herzinfarkt einerseits, Hormone und Geschmacksverstärker in Lebensmitteln andererseits - gesundes Essen erfordert nicht nur die Bereitschaft, auf Fettes, Kalorienträchtiges und Fertigprodukte zu verzichten oder deren Genuss zumindest einzuschränken. Gefragt sind auch Kenntnisse über die Qualität der Lebensmittel.

Professor Markus Fischer, Direktor des Instituts für Lebensmittelchemie der Universität Hamburg, hat deshalb die "Food & Health Academy" ins Leben gerufen. "Damit möchten wir eine Kommunikationskultur zwischen der Wissenschaft und der Öffentlichkeit in den Bereichen Lebensmittel und Ernährung und den daraus resultierenden Gesundheitsfragen entwickeln und die Öffentlichkeit für eine gesunde Ernährung sensibilisieren", sagt er. Wissenschaftler referieren in der Vortragsreihe im November, Dezember und Januar über Themen wie den Zusammenhang zwischen Ernährung, Magersucht und Ess-Brechsucht, das präventive Potenzial der Ernährung im Zusammenhang mit Diabetes und Krebs, über Lebensmittel und Magen-Darm-Krankheiten sowie zum Abschluss der Reihe am 31. Januar 2011 über sichere Lebensmittel.

Die jeweiligen Inhalte werden dabei von anerkannten Expertinnen und Experten eingehend aufbereitet und verständlich präsentiert, wobei auch auf eine kontroverse Betrachtung der Aspekte Wert gelegt wird. Die Kenntnisse über Lebensmittel müssten dringend auf breiterer Ebene vermittelt und erweitert werden, fordert Markus Fischer.

Dabei sollten die Informationen bereits in der Schule ansetzen. "Dort müssen wir aufklären", so der Wissenschaftler. Sonst drohten - wie in den Vereinigten Staaten bereits absehbar - dramatische Entwicklungen im Hinblick auf Übergewicht und Zivilisationserkrankungen, die die Möglichkeiten der Gesundheitssysteme irgendwann erschöpfen würden. "Die Ausgaben für die Behandlung des Typ-2-Diabetes (sogenannter Altersdiabetes) betragen schon jetzt zehn Prozent des Gesundheitsetats.

Aktuell seien weltweit 285 Millionen Menschen am Typ-2-Diabetes erkrankt, 1995 waren es noch 135 Millionen. Für das Jahr 2030 rechnet die International Diabetes Federation bereits mit 435 Millionen Betroffenen. Zahlen, die im Hinblick auf die Erkrankungsfolgen und die Behandlungskosten alarmieren. Das Thema Ernährung gehöre deshalb dringend als Unterrichtsstoff in die Schulen.

Eine weitere Vortragsreihe, die für Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler konzipiert ist, befasst sich mit neuen und alten Infektionskrankheiten. Noch vor 100 Jahren, sagt Fischer, waren sie in Mitteleuropa die häufigste Todesursache. Heute sterben in diesen Ländern vergleichsweise wenige Menschen an diesen Krankheiten. Dies hat zwei wesentliche Ursachen: Es gibt sehr gute Medikamente gegen die Erreger, und Wasser und Lebensmittel sind in der Regel bei uns sehr sauber.

Allerdings: Substanzen, die heute noch sehr gut helfen, werden relativ schnell unwirksam, weil Krankheitserreger Mechanismen zum Überleben entwickeln. Daher sind ständig neue Medikamente erforderlich. Die Vorträge der Food & Health Academy erklären Infektionen von den Erregern der Tuberkulose über Pilze bis zum HI-Virus. Darüber hinaus sind auch aggressive Krankenhauskeime Thema sowie schließlich die Gefahr zunehmender Resistenzen gegen Antibiotika.

Das Institut verfolgt zudem aktuell eine ganze Reihe wegweisender Forschungsprojekte. So hat das Team um Professor Fischer auf der Basis einer DNA-Analyse eine Nachweismöglichkeit für Weizen in Dinkelprodukten entwickelt. Das ist durchaus von wirtschaftlicher Bedeutung. Der gefragte Dinkel ist teurer als Weizen und besitzt zudem weniger gute Backeigenschaften. Da liegt es durchaus im Bereich der Möglichkeiten, dass jemand den Dinkel vielleicht etwas "verdünnen" möchte. Der Weizen- und Roggenanteil in Dinkelprodukten ist gesetzlich geregelt, er darf laut den Leitsätzen für Brot und Kleingebäck maximal zehn Prozent betragen, weiß Markus Fischer.

Anreiz für eine höhere Zumischung von Weizen über das gesetzliche Maß hinaus sei nicht nur der niedrigere Preis für Weizenmehl, sondern auch die verbesserte Backeigenschaft der Mehlmischung. Übersteigt der Weizenanteil das zulässige Limit, gibt es Sanktionen. Bearbeitet hat das Projekt übrigens ein Mitarbeiter, der vor dem Studium der Lebensmittelchemie Bäcker gelernt hatte und für das Projekt außerordentlich kompetent Backversuche machen konnte. "Wir sind ein wirtschaftsorientiertes Institut", sagt Fischer. So würden die Forschungen auch durch die AiF (Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen) unterstützt.

Außerdem arbeiten die Wissenschaftler unter der Leitung von Fischer an Methoden, mit denen sich Allergie auslösende Substanzen in Lebensmitteln identifizieren lassen. Um solche potenziellen Allergie-Erreger geht es zum Beispiel im Weinbau, wenn der Wein geschönt wird. Das bedeutet, dass Trübstoffe aus dem Rebensaft ausgefällt werden - eine seit Urzeiten gängige Praxis, die aber manchem überempfindlichen Weinliebhaber nicht bekommt.

Forschungsschwerpunkte des Instituts sind Biosynthesewege, Biochemie der Ernährung und die Analytik von Lebensmitteln. "Die Methoden, die wir entwickeln, dienen überwiegend dem Gesundheits- und dem Verbraucherschutz", erklärt der Direktor des Instituts für Lebensmittelchemie. Bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses setzt er auf Exzellenz, auf Förderung und Anerkennung von Leistungen und hat deshalb den "Competence in Food Award" ins Leben gerufen.

Diese Auszeichnung wird für innovative Dissertationen und herausragende Diplomarbeiten, für exzellente mündliche Abschlusskolloquien und für das beste Zweite Staatsexamen im Fach Lebensmittelchemie verliehen. "Anreize schaffen, Leistung belohnen und zu neuen Ideen anregen - auch das sind Ziele, die wir uns vorgenommen haben", ergänzt Fischer. Die Preisträger seien Vorbilder nicht nur für Studierende der Lebensmittelchemie Hamburg, sondern setzten Maßstäbe für das gesamte Institut. Die Preise werden von Unternehmen gestiftet.

http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article10660371/Weil-man-ist-was-man-isst.html




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